Keine Gebete

Samy Charnine: The Choice

Da waren Tage wie der
lähmende Blick einer Kobra
und Tage wie der
saure Biss in die Zitrone

Da waren Nächte
voller Schatten
die am Bett saßen
hohläugig, eiskalt

Keine Gebete wollten helfen
und Gott ist weit

Die Reise

Giuseppe Mariotti: Voyage In Search Of The Moon

Für die große Reise
Packe ich weder Kleider
Noch Schuhe
Kein Bedarf an Devisen
Es ist alles umsonst
Die Fahrt bezahlt
Ziel unbekannt

Endlos III

XeviVilaró_5

Die unendlich
traurige Geschichte
in immer neuen
Reprisen:

Unrecht
Rache
Vergeltung
Unrecht
Rache
Vergeltung
Unrecht
Rache
Vergeltung

Sinnlos
Endlos
Gottlos

Nebenwirkungen

Merab Gagiladze: Time Out

Fragen sie ihren Arzt
oder Apotheker wenn es
um Arzneimittel geht

Fragen sie ihren gesunden
Menschenverstand wenn es
um Politik geht

Risiken und Nebenwirkungen
sind in beiden Fällen
nicht auszuschließen

Flucht II

Alexei Butirskiy: First Snow

Die Straßen waren
Zu eng geworden
Die Wolken hingen zu tief
Zu viele Erinnerungen
Zu wenig Zukunft

Immer weiter nach Norden
Trieb es ihn auf seiner Flucht
Doch nirgends fand er Ruhe

Albträume

Anna Silivonchik: Svan Lake

Meine Albträume ließen
sich vergangenen Sommer
kaum blicken

Es war ihnen wohl
zu warm

Zum Greifen nahe

Isabel Guerra: La Mirada Interior

Einst hatten wir die gleichen
Träume und der Himmel
War zum Greifen nahe
Erinnerst du dich noch?

Jahre kamen und Jahre gingen
Ließen uns wenig
Zeit zum träumen
Wo warst du als ich dich rief?

Auf getrennten Wegen
Gingen wir durchs Leben
Suchten ohne zu finden
Glaubst du immer noch an Liebe?

Flüchtig

Beki Killorin: Wind Spinners

Am Abend zähle ich
Was mir geblieben ist

Die flüchtigen Jahre

Nackt

Peter Zokosky: Ape and Model

Nackt sind wir schon längst
keine Schönheiten mehr
wir können uns aber jetzt
Kleider leisten die
so manches verdecken
an Hängendem und
Weichem wo früher
Schlankheit war und
Liebreiz

Unser Urteil ist milder
geworden mit den Jahren
und zum Glück gibt es
immer einige die
noch älter sind

Rauchsignale

Alexander Grishkevich: Autumn

Lange habe ich
gewartet auf dich
allzu lange

Meine Rauchsignale
verdunkelten den Himmel
meine Notrufe
verwehte der Wind

Die Zeit war nicht gnädig
auf Herbst folgte Winter
und mein Herz
gefror zu Eis

Wer soll dich jetzt wärmen
wenn du kommst?


Dies ist einer meiner ältesten Texte. Ich hoffe es geht ihr gut, die meine
"Rauchsignale und Notrufe" wenig beachtete ...

Reklame

David Ho: Contemplations

Allen diesen netten Leuten
Die mir täglich
Nette Angebote schicken
Die ich weder haben will
Noch gebrauchen kann

Allen denen will ich sagen:
Danke danke danke -
Aber stopft euch das Zeug
Doch selbst irgendwo rein
Und lasst mich endlich in Ruhe

Melancholie

Ingo Neuman, pixelio.de

Melancholie
einer Herbstnacht

Kalter Regen, Lichter
vorüber eilender Autos

Straßenlaternen
schaukeln im Wind

Selbst der Gedanke an dich
will heute nicht wärmen

Winterquartier II

Anna Silivonchik: Diamond Sky

Auf den Bergen liegt
Schon Schnee
Die Niederungen noch
Eisfrei

Wenn der Herbst in
Winter übergeht
Sende ich mein Herz
Auf Reisen

Nimm es auf und
Und gib ihm
Winterquartier

Trostreich

Anna Silivonchik: Gondola of Dreams

Auch ein Trost -

die Jahre des Suchens
und des Hoffens
gehen langsam ihrem
Ende entgegen

Mit Fassung

Alexander Grishkewich: December

Mit der Ruhe einer
Fledermaus im Winter sehe
ich kommenden Dingen
gefasst entgegen

Dem nächsten Frühling
dem nächsten Sommer
dem nächsten Leben

Nur ein Feigenblatt

David Freed: Short Days IV

Es gab Zeiten da ich glaubte gegen Umweltverschmutzung und
dergleichen durch entsprechende Texte protestieren zu müssen.
Hier wieder eine Auswahl:


Nur ein Feigenblatt

Der Untergang ist uns gewiß

Fluß um Fluß verseucht
Baum um Baum gefällt
Land um Land geschändet
und ringsherum die Abfallhalden

Dabei fing es so gut an -
mit nur einem Feigenblatt


Moderne Zeiten II

Dornröschen wachte auf
Aus ihrem Schlaf

Die Vögel sangen nicht mehr
Das Meer war ohne Fische
Die Berge ohne Gletscher
Und die Luft geschwängert
Von Abgasen

Selbst der Kuss des Prinzen
Konnte sie nicht beglücken
Der hatte Aids


Das Raubtier

Wir sollten es langsam einsehen -
der Mensch ist nicht
für Frieden geschaffen

Raubtier bleibt Raubtier
mit oder ohne Verstand
mit oder ohne Götter

Raffen ohne Ende
vernichten ohne Gnade
töten als einzige Lösung

Mit Intellekt noch schlimmer
als ohne - die Waffen werden
effektiver


Ein gewisser Trost

Zur Zeit reden sie dauernd
vom Weltuntergang

nur werden wir nach
letzten Erkenntnissen nicht
zu Atommüll verstrahlt
und ins Weltall geblasen
sondern langsam erhitzt
und schließlich getrocknet

Die globale Erwärmung
ist mir ein gewisser Trost
denn erfrieren will ich
auf keinen Fall


Immer ruhig

So vieles nur noch Metapher:
die klaren Gewässer
die grünen Wälder
die frische Luft

Doch nichts, was nicht noch
schlechter werden könnte
und so sehen wir mit Ruhe
der Zukunft entgegen

Frei

Maren Arndt: Oktober im Teufelsmoor

Frei will ich sein -

Mit dem Wind ziehen
Mit dem Sturm tanzen

Metamorphose I

Roman Sustov: Salamander

Eingekapselt
habe ich mich
in meine Puppe
und warte darauf
Schmetterling zu werden
im Frühling -
oder Ungeheuer

Traum der Ungeborenen

Victor Karnaukh: The Game Begins

Als ob ich mich
erinnern könnte
wann ich anfing
dich zu lieben

Es muss gewesen sein bevor
ich noch geboren wurde

Als ob ich mich
erinnern könnte
wann ich begann
dich zu verlieren

Es muss gewesen sein bevor
du noch geboren warst

Alle Schönheit

Reinhold Bauer: Bergweg

Eines Tages will ich
Die erlösenden Worte finden
Die Silben, die Buchstaben
Die alles in sich tragen -

Alle Schönheit dieser Welt

Im Taxi

William Degouve de Nuncques:
Night Scene in the Parc Royal

Im Taxi auf dem Weg nach Hause
versuchte er die Eindrücke zu
ordnen, die Gedanken wieder in
normale Bahnen zu lenken

Er hätte es kommen
sehen müssen hätte
früher die Konsequenzen
ziehen müssen

Der Regen hatte zugenommen
schlug gegen die Windschutzscheiben

Er würde ihr keine Träne
nachweinen

Schwache Nerven

Thomas Völker: Einkaufen in Hamburg

Bis ans Ende der Welt
wollte er ihr folgen

doch schon im ersten
Kaufhaus gab er auf

Winterträume

Claude Verlinde: La Fee Frileuse

Heute bereite ich mich
auf den Winter vor
schreibe ein Gedicht
und sende es dir
dass du dich daran
wärmen kannst

Unser Winterquartier
ist eingerichtet mit
frischen Tannenzweigen
weichen Daunen
der Wildgans und
meinen Träumen

Nun warte ich auf
ersten Schnee und
deinen Flügelschlag

Wissenschaftliches

Ronald Companoca: El Sueñio De La Cometa

Moderne Wissenschaftler
haben Lebewesen gefunden

tief im Berggrund,
an heißen Quellen im Meer

und sogar in den Wolken,
was mich besonders wundert

Werden sie eines Tages
auch Engel entdecken

und vielleicht ist Gott
doch nur ein Virus?

Herbst

Marianne Chopard: Wohlei 081012

Ich liebe den Herbst
mit seinen späten Farben
Zeit des Abschieds
und der Wehmut

Letzte Tage
voller Hoffnung
bevor die Stille des Winters
Vergessen schenkt

Winterquartier

Collin Bogle: Crossing Paths

Für M.

Abends lese ich in deinen
Gedichten und verliere mich
Im Spiel deiner Fantasie

"Träume werfen Schatten
Und es ist seltsam still
Unter dem Schnee"

Ich stelle mir vor ein
Bär zu sein und suche
Winterquartier in
Deinen Träumen

Falsche Saat

Roy Tabora: Heavenly Greys

Er wollte immer nur
Träume säen

Doch Stürme
Gingen auf
Und drohten
Ihn zu verschlingen

Winter am See

Joselito Sabogal: Seguidores

Das Geflüster der Fische
unter dem Eis
und das höhnische
Lachen der Möwen
machen mich nervös

Sie kennen
mein Geheimnis

In mir II

Ronald Companoca: El Sueñio De Euridice

In mir
ist diese andere Welt
diese andere Wirklichkeit
in mir bist du

In mir die Unruhe
die weder Alter
noch Vernunft
besiegen kann

In mir die
ewige Suche
nach dem Wunder
in mir ist dieses Bild ...

Neuer Tag

Philip Geiger: Teressa

Wieder ein Tag
der zu leben wäre
der zu füllen wäre
mit Wundern

Der leer bleibt
weil du nicht
in meinem
Leben bist